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Das Jahr nachdem alles begann

Im ersten Jahr nach so einer Diagnose passiert enorm viel. Nicht nur das Leben ändert sich, nein rückblickend veränderte in erster Linie ich mich. Gefühlt bin ich in diesem Jahr 10 Jahre älter geworden. Älter ist vielleicht das falsche Wort, .. viel mehr bin ich „reifer“ geworden.

Von nun an war mein Leben nicht mehr nur Arbeit, Freunde und Feiern, sondern von nun an zählten auch regelmäßige Arztbesuche zu meinem täglich Brot. Blutkontrollen, Röntgen, Lungenfunktionstests,.. ich erspare euch den Rest, denn das gehört im Grunde genommen zu den wirklich ätzenden und noch viel langweiligeren Parts dieser Story.  

In mir passierte in dieser Zeit ohnehin mehr als genug. Wenn dir klar wird was da mit deinem Körper passiert, fängst du an dich wirklich viel in das Thema einzuarbeiten - von Ärzten kannst du auf so Infos nämlich lange warten. Aber umso mehr ich mich mit dem Thema beschäftigte, umso mehr fühlte ich mich auch krank. Und noch mehr machte mich der Gedanke krank was wohl in 10 Jahren sein wird. 

 

Ab diesem Zeitpunkt fing ich an penibel alles einzuschränken, wovon ich ausging, dass es meinem Körper nicht gut tut. Ich hörte auf zu rauchen, ich verzichtete von nun an komplett auf Alkohol und unnormal penibel auf Fleisch. Und wie fühlte sich nun das Leben an, gefangen in strickten Regeln die es offensichtlich besser machen sollten?
Richtig, ziemlich scheiße.

Zauberwort: Achtsamkeit

Heute kann ich über meinen damaligen Lebenswandel wirklich schmunzeln, aber damals fühlte ich mich wie im Gefängnis. Was sollte mir dieses von nun an eingeschränkte Leben auch bieten?  Wollte ich so die nächsten 60 Jahre weiter machen? Keine Chance. Ich recherchierte viel in Foren, ich besprach viel mit meiner Ärztin, ich versuchte irgendwie einen Mittelweg zu finden. Und meine Ärztin bemerkte, dass in mir viel passierte (by the way wollte sie mich erst einem Psychater vorstellen.. nochmal Glück gehabt) und gab mir letztendlich den liebevollen Rat, doch einfach so weiter zu leben wie bisher.. nur eben mit etwas mehr Achtsamkeit. Und diese Achtsamkeit lernt man ganz automatisch, denn dein Körper zeigt dir ziemlich schnell was okay ist und was nicht. 

 

So vergesse ich nie den Tag an dem ich zuhause saß und genüsslich die selbstgemachten Maultaschen meiner Kollegin in mich rein schob - wohlgemerkt gefüllt mit Schweinefleisch (jeder Rheumatiker weiß was das bedeutet), interessierte mich aber nicht die Bohne - und am nächsten Morgen aufwachte und allein der Gedanke daran aufzustehen unmöglich war. Tja und seither habe ich nie wieder in meinem Leben Maultaschen angefasst.. Und genau wie mir hier mein Körper das Signal gegeben hat, dass das so nicht funktioniert, gibt er es dir auch in sämtlichen anderen Hinsichten.

 

Was die meisten jungen Rheumatiker wohl am meisten interessiert und welche Fragen mich oft erreichen sind die Themen Alkohol und Zigaretten. Und nein ich werde euch hier nicht erzählen, dass ihr genüsslich weiter trinken und rauchen solltet - ganz im Gegenteil, ist beides ungesund, auch für die Nicht-Rheumatiker unter uns :-) - aber auch hier kann man für sich einen Mittelweg finden, mit dem man leben kann. Im letzten Jahr gab es Monate, an denen ich jedes Wochenende gefeiert hab ohne jegliche Probleme.  Bestimmt reagiert hier jeder Körper anders, aber mein Körper signalisiert mir immer erst eines, und das ist für mich das wichtigste Alarmsignal - die Müdigkeit. Und ich meine hier nicht die Müdigkeit wenn ich um 5 aufstehe und ins Büro fahre, sondern wer Rheuma hat kennt diese Müdigkeit, die einen zu einem anderen Menschen macht.. Wie vom LKW überfahren. Und hier gilt es dann umgehend die Bremse zu ziehen. Bis dahin könnt ihr jedoch in aller Genüßlichkeit euer dennoch lebenswertes Leben weiterfeiern ;-).

 

Und das tat ich ebenfalls in diesem Jahr.. und brachte mich auf meinem Weg zurück in ein fast ganz normales Leben einen riesigen Schritt näher.

 

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