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Diagnose Rheuma mit 21

Wie alles begann

Rückblickend betrachtet, war mein bisheriger Lebenslauf genau der gleiche Lebenslauf, wie bei jeder anderen jungen Frau in meinem Alter. Ich genoss die Kindheit wie es jedes Kind verdient hat, besuchte irgendwann weil ich offensichtlich schlau war das Gymnasium, dass ich dann als Teenager aus einer Laune heraus beschloss abzubrechen (war wohl doch nicht so intelligent wie gedacht), absolvierte stattdessen eine Lehre und bin heute im Club der waschechten Sekretärinnen angelangt. So mit allem was dazu gehört.. Zickenkrieg, Kaffee trinken, Mails beantworten. Jedoch gab es eine Sache, die immer anders war als bei allen anderen Gleichgesinnten: Ich war ständig mit absolut spektakulären Sachen krank oder im Krankenhaus. Daraus machte ich mir nicht großartig viel und genoss stattdessen meine Tage zuhause und dass ich immer etwas zu erzählen hatte. Doch dann kam alles anders.

 

 


Anfang 2015 war ich regelmäßig geplagt von immer wiederkehrenden Schmerzen in den Fingergelenken. Da ich da bereits im Club der Sekretärinnen war und täglich acht Stunden damit verbrachte etwas mit meinen perfekten Acryl-Nägeln in den PC zu tippen, machte mich das keinesfalls nervös. Erst nervös wurde ich als die Schmerzen von den Fingergelenken bis hoch in die Schultern zogen. Also beschloss ich, da dann doch mal einen "Facharzt" draufschauen zu lassen. Facharzt in Anführungszeichen, weil eigentlich keine Sau Ahnung davon hat, was sie da eigentlich diagnostiziert. Es folgte eine Odyssee an Arztbesuchen, die mit einem MRT, veranlasst vom Orthopäden, endeten.  Mein Orthopäde erwähne ich hier so gerne weil er tatsächlich die Schlüsselfunktion der Diagnose einnahm. Er war derjenige, der auf die Idee kam, mich doch mal auf Rheuma zu testen - was ich damals ziemlich idiotisch fand, heute kann ich nur danke sagen. Also wartete ich nochmal 4 Monate auf meinen Ersttermin zum Vorsprechen beim Rheumatologe. Ja und dann? Dann ging irgendwie alles ganz schnell.. Kurze Befragung, Blutabnahme, Röntgen.. und knappe zwei Wochen später die zweite Vorladung mit der endgültigen Diagnose: Rheumatoide Polyarthritis. Wer glaubt, dass hier mein Schlüsselmoment kam und ich in Tränen ausbrach und sich mein Leben ab da für immer veränderte täuscht sich gewaltig. Man bekommt keine Diagnose vor den Latz geknallt und das Leben ändert sich für immer.

Mein Leben änderte sich erst viel später.

Ein Zustand völliger Leere.

Was nach so einer charmanten Diagnose passiert, dass sagt dir vorher niemand. Da sind die Eltern, die die Diagnose so nicht hinnehmen wollen, da sind Freunde, die mit dem Thema nichts anfangen können.

Und du selber? Du bist irgendwo dazwischen.. In mir ist vorerst gar nichts passiert. Keine lebensveränderte Weisheit, kein Licht am Ende des Tunnels - nichts. Was vor mir lag waren fortan Tabletten - Immunsuppressiva, in denen ich nur wenig Sinn sah, schließlich fühlte ich mich nicht krank, sondern hatte einfach nur ab und an Gelenksteife und Schmerzen. Und diese kleinen runden Pillen entpuppten sich ziemlich schnell als mein wahrer Feind - nicht die Diagnose war mein Feind, sondern diese Pillen. Denn die machten mich von nun an zu einem anderen Menschen. Müdigkeit, Lustlosigkeit, Übelkeit,.. das waren nur ein paar der Nebenwirkungen, die mich ab da täglich begleiteten. Am meisten kämpfte ich mit fast depressionsartigen Zuständen. Ich war traurig, wütend, unglücklich und fühlte mich allein. Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt nie alleine war - da war meine Familie, die mich auffing, meine Freunde und auch mein damaliger Partner, haben immer versucht mir eine Stütze zu bieten.

Aber diese Anker holte mich aus diesen Zuständen nur schwer raus. 

"Ich fühlte mich einsam - obwohl ich nie alleine war"

Also kam der Tag, an dem ich mit meiner jugendlichen Naivität auf eigene Faust beschloss, das mit den bunten Pillen bleiben zu lassen. Warum? Weil ich's scheiße fand (meine Rheumatologin fand das Handeln auf eigene Faust übrigens auch scheiße). Und was darauf folgte, konnte ich mir in meinen schlimmsten Träumen nicht vorstellen.

 

Da kam er, ganz leise und hinterhältig angeschlichen, mein aller erster "Schub". Und der kam gewaltig, so mit allem drum und dran. Jede Faser meines Körpers tat mir weh, und zwar so weh, dass ich tagelang zitternd vor Schmerzen im Bett lag. Ganz abgesehen von dieser Müdigkeit

und dem Gefühl, als hätte mich ein LKW überfahren.

 

Und so saß ich wieder vor dieser Frau, die mir so charmant meine Diagnose beibrachte und die mich dann.. nunja, sagen wir "belächelte"?! für meine Blauäugigkeit die Tabletten einfach abzusetzen. Rückblickend gesehen war die Aktion auch nicht sonderlich klug (lässt sich aber damit entschuldigen, dass ich gar nicht wusste was da kommen wird), jedoch war genau das die Aktion, die mich wachgerüttelt hat - und somit für mich persönlich eine durchaus wichtige Erfahrung. 

Von da an wusste ich genau eines: Ich war viel "kranker", als ich es ursprünglich erwartet hatte und mir wurde schnell klar, dass es ab jetzt oberste Priorität war auf meinen Körper zu hören und vor allem

- meinen Körper zu achten.

Klar war, mein Leben musste weiter gehen, musste erträglich gemacht werden mit dem Päckchen was ich ab da an zu tragen hatte.

Und mein Leben ging weiter.. 

 


Eines kann ich euch aber bereits an dieser Stelle mit auf den Weg geben.. In diesen Zeiten, in denen ihr da umhereilt von Arzt zu Arzt werdet ihr Dinge hören, die euch nicht gefallen werden. Da gibt es Menschen, die einem im übertragenen Sinne sagen wollen, dass man sich nicht so anstellen solle und da wird es Menschen geben, die den Teufel eiskalt an die Wand malen werden und an Ekel gegenüber deren Charakterschwäche nicht zu übertreffen sind.

 

Zitate wie "gibt es etwas schlimmeres, als mit 21 so eine Diagnose zu bekommen?" oder "Frau XY sie haben Rheuma, es gibt nur eine Sache die schlimmer ist - und das ist Krebs". Ihr werdet viele Dinge hören, die euer Leben in dieser ohnehin schwierigen Phase noch viel schwieriger machen. Wichtig ist, dabei auf sich selbst zu hören und vor allem bei sich selbst zu bleiben. Das Leben geht weiter, ob ihr es wollt oder nicht.. aber wie es weiter geht entscheidet ganz alleine ihr. 

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